Den Weckruf hätten wir uns sparen können.
Heute ist der Blockflötist schon mutiger und setzt kräftig die
Lungen ein. Zu den Klängen des Hochzeitsmarschs kriechen wir aus den
Schlafsäcken. Aufgrund des gestrigen Streiks lassen wir uns heute Zeit
und frühstücken ausgiebig. Dabei beobachten wir interessiert den
Nachbarn, wie er gründlich tote Insekten von der Windschutzscheibe und
den Scheinwerfern seines riesigen Wohnmobils poliert. Ein weiterer Wohnmobilfahrer
schließt sich dieser Tätigkeit an seinem Fahrzeug an, um den anderen
nicht nachzustehen. Inzwischen fachsimpeln die Frauen am Spülbecken
über Sehenswürdigkeiten und Parkmöglichkeiten an der Amalfiküste.
Als wir gegen 10:00 am Tor von Pompej anschlendern,
ist dieses offen und es herrscht bereits Hochbetrieb. Zudem gibt es erfreulicherweise
freien Eintritt aufgrund der kulturellen Woche, was zumindest die gestrige
Busfahrt wieder wettmacht. Einen Audioguide gönnen wir uns trotzdem.
Dann geht es los. Die vorgeschlagenen Rundwege mitten im Touristenstrom
beschließen wir kurzerhand zu ignorieren und streifen auf eigene Faust
durch die Ausgrabungen.
Die Sonne brennt bereits früh vom Himmel und man
ist dankbar für jeden Säulenschatten. Es ist zwar recht voll, und
wir wollen gar nicht wissen, wieviel hier im August los ist, aber man findet
heute immer wieder stille Ecken und kann sich in aller Ruhe umschauen. Es
gibt einfach so viel zu sehen! Man könnte sich 3 Tage hier aufhalten
und noch immer nicht alles gesehen haben.
Gegen Mittag finden wir ein schattiges Plätzchen
neben dem Amphitheater und lassen uns mit einem ausgiebigen italienischen
Picknick und vor allem: einer halben Flasche Rotwein im Gras nieder. Neidische
Blicke von allen Seiten! Zwei französische Touristen rufen uns begeistert
ein "bon appétit" zu. Sie halten uns wohl für Landsmänner,
denn wo sonst haben wir den Trick mit dem Mittagswein gelernt? Auf unserer
Loire-Fahrradtour, als rund herum auf den Picknickplätzen die Korken
aus den Flaschen ploppten und wir auf dem Trockenen saßen. Man lernt
dazu und paßt sich den lokalen Gewohnheiten an.
Weiter geht's durch die Ausgrabungen mit einigen sehr
gut erhaltenen Wohnhäusern mit imposanten Gärten und Innenhöfen,
und irgendwann langen wir schließlich erschöpft wieder am Hauptplatz
an. Ein paar letzte Fotos vom wolkenlosen Vesuv im Hintergrund, dann geht
es zurück zum Campingplatz, in aller Eile abbauen, packen und auf zum
Bahnhof. Die Flasche Olivenöl und das 500g Glas Kastanienhonig im Gepäck
werden schon bereut.
Heute müssen wir mit dem Zug nach Neapel zurück,
dort in die Metro umsteigen und bis zur Endstation "Pozzuoli" fahren. Alles
klappt reibungslos, allerdings fürchten wir noch auf den letzten Kilometern
zu scheitern, da die Metro, ein äußerst altersschwacher Vorstadtzug
der Marke "Holzklasse" auf den letzten Kilometern immer langsamer wird.
Freudig wird jeder weitere erreichte Bahnhof begrüßt, obwohl
wir bei der Geschwindigkeit fast hätten laufen können. Endlich
hat sich der Zug zur Endstation durchgekeucht, wir steigen in Pozzuoli aus
und machen uns auf den Weg den Berg hinauf zum Campingplatz "Vulcano Solfatara".
Heute Nacht werden wir in einem Krater zelten. Die 800m bergauf machen uns
zu schaffen, wir haben einfach zuviel Gepäck. Oben angekommen ermuntert
uns das Schild "Camping 20m". Wir gehen durch die hübsche Toreinfahrt
eines altehrwürdigen Gutshauses und sehen den Platz schon vor uns.
Ein sehr freundlicher und scheinbar alle Sprachen Europas beherrschender
Mann weist uns ein und erklärt alles was wir wissen wollen.
Der Platz ist recht gut gefüllt aber wir finden
ein schönes Eckchen für unser Zelt. Kurz aufgebaut, dann drehen
wir eine Runde, alles ist sehr gepflegt und schön angelegt. Es gibt
sogar richtig heiße Duschen und Toilettenpapier. Rings um das Gelände
erhebt sich die Kraterwand, die nur zum Eingang hin abflacht. Auf dem Weg
zu den Schwefelquellen sehen wir die kleine Bar des Campingplatzes und
trinken erst einmal einen Capucchino in der Abendsonne. Die Preise und
der Geschmack überzeugen und zufrieden besichtigen wir das Schwefelquellenfeld.
Für Camper ist der Eintritt frei und jetzt am
Abend sind wir fast die einzigen Besucher. Es gibt auch noch eine alte Schwefelsauna
zu besichtigen, allerdings würde dort niemand mehr freiwillig saunieren,
unter dem Gewölbe tritt glühend heißer Schwefeldampf aus.
Etwas weiter wird der ohnehin sehr warme Boden plötzlich heißer
und wir fürchten schon um unsere Schuhsohlen, hier besser nicht zu lange
stehenbleiben.
Anschließend machen wir uns auf Futtersuche
und fragen den Campingplatzwart, wo man gut Fisch essen könne. Er
schickt uns in ein Restaurant in der Nähe mit schönem Blick über
das Meer in Richtung Ischia. Obwohl bereits 20 Uhr, sind wir fast die ersten
Gäste. Ein schweigsamer und etwas mürrischer Ober nimmt die Bestellung
auf. Die Karte und der Ober sprechen ausschließlich italienisch und
unser Sprachführer hat nur andere Gerichte im Angebot. Wir nehmen Spaghetti
Vongole und danach Schwertfisch, ersteres ist ausgesprochen gut, der Fisch
eher trocken und lieblos. Dafür entschädigt der Wein. Gerade nachdem
wir das Brot bekommen haben, baut ein Musiker seine Instrumente direkt neben
uns auf. Hektisch überlegen wir, ob wir noch den Tisch wechseln sollen,
ergeben uns aber in unser Schicksal und warten gespannt ab. Beim Hauptgang
wird es richtig voll, und der Musiker legt los. Seine bis dahin ihn äußerst
gelangweilt beim Aufbau beobachtende Partnerin übernimmt den Gesangspart.
Wir kommen uns während des Essens vor wie in einem alten italienischen
Film, sämtliche einheimischen Schnulzen werden dargeboten. Irgendwann
reißen wir uns jedoch los und kehren zum Kratercamp zurück.
Um kurz nach 6 Uhr scheppert die Müllabfuhr über
den Platz. Komischerweise wacht nur Markus davon auf. Mich weckt wenig
später das Vogelgezwitscher. Da wir nun einmal wach sind, können
wir ebensogut auch aufstehen. Wir kriechen aus dem Zelt und spazieren als
erstes zu den Schwefelquellen. In der noch recht kühlen Morgenluft
sieht man den Dampf am besten, und da noch niemand auf ist, haben wir das
Gelände für uns und fotografieren ausgiebig wie die Sonne über
den Kraterrand den ausgestoßenen Dampf anstrahlt.
Auf dem Rückweg genehmigen wir uns ein Frühstück in der Bar.
Mehrere Capucchino, verschiedene süße Gebäckstücke und
frisch gepresster Orangensaft garantieren einen guten Start in den Tag. Der
Platzwart hatte uns für heute "Rione Terra" empfohlen, die unbewohnbare
Altstadt von Pozzuoli, die nur an Wochenenden zu besichtigen ist, die letzte
Chance, da heute schon Sonntag ist.
Ein halbstündiger Gang die Hauptstrasse herunter führt uns
zum Zentrum von Pozzuoli. Als erstes besichtigen wir die Strandpromenade
an der auch frischer Fisch verkauft wird. Da wir diesen nicht stundenlang
durch die Sonne schleppen wollen bis wir ihn die Pfanne legen könnten,
verzichte ich schweren Herzens und lasse mich nur durch einen versprochenenen
Mittagsfisch im Restaurant vertrösten. Im Ort selbst gibt es nicht
viel interessantes für uns zu sehen. Heute am Sonntag ist jedoch jeder
Einwohner unterwegs, wie es scheint. Wir machen uns an den Aufstieg nach
Rione Terra und haben Glück, da in wenigen Minuten eine Führung
durch die bereits teilweise freigelegten römischen Ruinen unter der
durch ein Erdbeben unbewohnbar gemachten Stadt beginnt. Auch hier herrscht
noch die Semana Culturale und somit freier Eintritt. Leider ist die Führung,
deren Gruppe nur aus insgesamt 4 Personen besteht, ausschließlich
auf italienisch, aber trotzdem sehr interessant. Ein knapp einstündiger
Rundgang führt durch die unterirdischen Stockwerke der Altstadt, in
der man zahlreiche Räume und römische Straßen auf mehreren
Ebenen und unter anderem eine ehemalige römische Bäckerei besichtigen
kann.
Wieder draußen in der mittlerweile heißen Sonne steigen wir
zum Hafenviertel ab und schlendern durch die belebten Gassen auf der Suche
nach einem Restaurant. Wir finden eins, das uns zusagt und setzen uns auf
die Terrasse. Für italienische Verhältnisse ist es noch zu früh,
aber ein Gast sitzt schon vor seinem Fisch, und so trauen wir uns auch.
Der Ober, wiederum mürrisch und schweigsam, vergisst erst das Brot
und dann den Wein, aber schließlich nach hartnäckigem Nachfragen
auf spanisch haben wir alles auf dem Tisch, und futtern uns durch reichlich
Bruschetta und Meeresfrüchterisotto, Fischsuppe und gegrillte Dorade,
alles ist äußerst lecker und der Wein steigt uns schon zu Kopf.
Das Restaurant hat sich nun ziemlich gefüllt und wir beobachten ringsum
die italienische Schlemmerei die Karte hoch und runter. Mit Händen
und Füßen und viel Geschrei zelebrieren die Einheimischen das
Sonntagsessen, und eine alternde Diva am Nebentisch ignoriert ihren Mann
und steckt dem Sofarollenhund einen Bissen nach dem anderen ins Maul.
Nachdem wir uns endlich losgerissen haben wandern wir am Hafen entlang
zurück. Fischer verkaufen ihren Fang vom Boot an der Kaimauer, es
gibt riesige Oktopusse die sich in Eimern mit Wasser winden, und kleinere,
die versuchen aus ihren Styroporkisten zu entwischen. Da wir aber nicht
schon wieder essen können, kehren wir mit leeren Händen zurück
zum Zelt und legen uns davor auf die Matte in die Sonne, kochen uns einen
Tee, lesen und dösen vor uns hin. Plötzlich ist eine seltsame
Parade von Menschen zu beobachten, die zu Fuß mit Koffern, Trolleys,
Taschen, Bierbänken, Rucksäcken und Plastiktüten beladen
den Weg entlanglaufen. Es sind etwa 30-40, und es scheint sich um eine Busgruppe
mittleren Alters aus Bayern zu handeln, die vor dem Tor ausgeladen wurde
und jetzt die Camputensilien zu Fuß heranschleppen. Wir beobachten
die untypischen Camper beim Aufbau ihrer Zeltstadt, was ein interessantes
Schauspiel bietet. Irgendwann schlafe ich ein und wir werden erst durch
unseren Hunger darauf hingewiesen, dass es bald schon wieder Essenszeit
ist.
Markus möchte nochmal in die Stadt hinunter da wir noch unschlüssig
sind, was wir essen wollen. Unten ist mittlerweile die Hölle los!
Scheinbar hunderte Autos drehen ihre Runden durch die ohnehin vollen, engen
Straßen, überall sind Menschen unterwegs, ein Gehupe und Geschrei,
aber es scheint normal zu sein und kein Nationalfeiertag oder Sieg im Fußball,
wie ich erst vermutete. Wir besichtigen noch schnell den großen antiken
freigelegten Marktplatz Macellum, dessen Ausgrabungsgelände teilweise
vom Grundwasser überflutet aber trotzdem gut zu erkennen ist. Aus dem
stehenden Wasser erhebt sich ein vielstimmiges Froschkonzert und ein modriger
Geruch, was beides irgendwie nicht mitten in diese quirlige Altstadt zu
passen scheint.
Da die zwar zahlreichen aber alle an der mittlerweile abgasumwölkten
Straße liegenden Restaurants nicht sehr einladend in all dem Trubel
wirken, beschließen wir, zurückzulaufen und die am Eingang des
Campingplatzes liegende Pizzeria auszuprobieren, da wir beide auch keine
Lust auf mehrere Gänge haben. Von außen sieht es nicht sehr vielversprechend
aus, aber innen entpuppt sich die Pizzeria als gemütlicher großer,
hoher Raum, noch ziemlich leer, bis auf den Wirt, den Koch und eine dösende
alte Frau im Sessel vor dem Fernseher, dessen Bild überdimensional
an die kahle Wand geworfen wird. Man glaubt sich sogleich in eine andere
Zeit versetzt, als gerade ein alter italienischer Spielfilm beginnt. Wir
bestellen mit Händen und Füßen jeder eine Pizza, Markus
wie immer eine Margherita und für mich eine mit Parmaschinken, Büffelmozzarella
und frischen Tomaten und dazu eine Flasche Wein, und verfolgen den Film,
der sich gut anläßt, obwohl wir nicht viel verstehen. Man käme
sich fast vor wie in einem Wohnzimmer, so gemütlich ist es. Auch der
Wirt ist hier viel netter als seine bisherigen Kollegen, und der Koch kommt
eigens hinter seinem Pizzaofen hervor, um Markus begeistert dafür
zu loben, dass er die ganze Pizza aufgegessen hat. Wir sind gerade richtig
in den Film vertieft, als es sich allmählich füllt und die alte
Frau aufwacht und ihren Platz und die Pizzeria verläßt. Sofort
wird das Programm gewechselt und ein Musiksender aufgerufen. Wir trinken
noch einen Espresso, schwelgen in Begeisterung über die günstige
Rechnung und die äußerst gute Pizza und gehen schließlich
zum Zelt zurück.
Montag, 10.04.2006
Noch vor dem Wecker werden wir durch laute Schreie "Wooolf-gaaang",
aus dem Schlaf gerissen. Es ist kurz vor sechs. Ein Ausschlafen scheint
uns in diesem Urlaub nicht vergönnt. Nach mehreren vergeblichen Schreien
antwortet eine andere Stimme etwas peinlich berührt, die aus Richtung
der Busgruppe kommt. Anscheinend wollte der Schreier hoch oben vom Kraterrand
aus ein Abschiedsfoto von Wolfgang winkend neben dem Zelt aufnehmen. Als
wir aus dem Zelt kriechen, ist die bayrische Busgruppe schon eifrig beim
Abbau.
Da wir heute nach Ischia fahren wollen, bleiben wir also gleich auf und
sehen zu, dass wir früh zum Hafen hinunter kommen. Für unsere Verhältnisse
mit einem neuen Rekord treffen wir dort noch vor 9 Uhr ein. Was uns aber
nichts nützt, denn das nächste Schiff fährt erst in über
einer Stunde. So kaufen wir die Tickets und setzen uns zum Frühstück
in ein kleines Cafe, von dem aus wir das Beladen der Autofähren verfolgen
können. Ermutigend finde ich es nicht gerade, wie die überaus
rostig und betagt erscheinenden riesigen Fähren mit einem endlosen
Strom von rückwärts einfahrenden voll beladenen Lastwagen gefüllt
werden. Manche sind so schwer beladen, dass die Reifen schon platt sind.
Als wir schließlich auf unserer Fähre den Hafen verlassen, scheint
mir das Schiff auch etwas schief im Wasser zu liegen. Zudem ziehen graue
Wolken auf und es beginnt zu nieseln, sodaß wir uns nach drinnen setzen.
Das Wetter wird immer unschöner je mehr wir uns Ischia nähern,
aber wir versuchen es positiv zu sehen. Beim Zwischenstopp in Procida wird
es etwas besser und als wir kurze Zeit später auf Ischia anlegen und
das Schiff verlassen, nieselt es nur noch vereinzelt und die Sonne lugt durch
die Wolken.
Die im Reiseführer angepriesene gute Wanderkarte der Insel soll
es im Fremdenverkehrsbüro geben. Dieses befindet sich im Hafen, ist
jedoch geschlossen und ein Zettel verweist kompliziert auf die neue Adresse.
Es ist ohnehin mittlerweile recht spät geworden und da wir erst noch
mit dem Bus zu unserem Wanderausgangspunkt fahren müssen, suchen wir
hektisch nach dem neuen Standort. Nach einer halben Stunde durch den recht
hübschen aber deutlich von deutschen Rentnern dominierten Ort, geben
wir auf. Meine gute Laune schwankt, denn ich sehe den Ausflug schon scheitern,
da die letzte Fähre zuück bereits um 17 Uhr fährt und wir
immer noch nichts erreicht haben. Zu guter Letzt können wir die Karte
in einem Reisebüro am Hafen doch noch kaufen. Wir diskutieren, ob
wir uns ein Taxi leisten sollen, auf Nachfrage kostet dieses jedoch mindestens
25 Euro, und da der Fahrer sich nicht festlegen läßt rechnen wir
schon mit 30 Euro bis zum Ziel. Dafür sind wir zu geizig und nehmen
den Bus für einen Bruchteil des Preises.
Dieser bringt uns über haarsträubend schmale, steile und kurvige
Straßen ins Bergdorf Fontana. Vor jeder Kurve, also eigentlich ständig,
wird ausgiebig gehupt. An den Haltestellen wird so dicht am Straßenrand
geparkt, daß die Fahrgäste kaum aussteigen können. Nachdem
wir eine durch den Bus tobende Schulklasse überstanden haben, steigen
wir in Fontana an der Kirche aus und machen uns an den Aufstieg. Von hier
aus soll es am Gipfel des Pietra dell'Acqua (720m) vorbei bis zum Monte
Epomeo gehen, dem höchsten Berg der Insel mit 787 Metern. Es läßt
sich ungewöhnlich an, denn der Weg scheint eine vom Wasser ausgewaschene
schmale Spur, tief in den lehmigen Boden geschnitten, die steil nach oben
führt und man fragt sich wie die dreirädrigen klapprigen Lieferwagen
es hier herauf schaffen, doch die zahlreichen Reifenspuren überzeugen.
Nach schweißtreibendem Anstieg erreichen wir einen breiteren Weg,
der auch Aussichten über die Insel ermöglicht. Von hier hat man
bereits einen schönen Blick bis zur Küste. Wir treffen kaum Leute,
es wird sonnig und windiger je höher wir kommen. Links sehen wir bereits
den Pietra dell'Acqua, aber den Abstecher sparen wir uns, da wir nicht
wissen wie lange wir brauchen und die Fähre nicht wartet. Mit Blick
auf den vom Wind abstrakt geformten felsigen Gipfel des Monte Epomeo suchen
wir ein windgeschütztes Plätzchen und packen unser Mittagessen
aus. Die im Hafen gekauften Salattomaten zu Brot und Käse sehen nicht
nur gut aus, sie schmecken ungewohnt intensiv. So gestärkt machen wir
uns an den letzten Aufstieg. Der Pfad ist nun windumtost und besteht tatsächlich
nur noch aus einer felsigen Rinne, die kaum Platz für die Breite der
eigenen Wanderschuhe bietet.
Oben befindet sich ein kleines Gipfelrestaurant und nach einem Blick von
der Spitze, die nur Markus erklimmt, da ich bereits das Gefühl habe,
vom Felsen geweht zu werden, kehren wir dort in der Hoffnung auf einen Capucchino
ein. Ein Kellner ignoriert uns gekonnt, obwohl er fast über uns stolpert.
Nach einigen Minuten entscheiden wir, daß dieses Lokal auch ohne
uns auskommt und machen uns an den Abstieg. Der Weg führt zunächst
malerisch durch einen schönen Wald, entwickelt sich aber dann zu einer
kleinen geteerten Straße die uns unspektakulär zurück ins
Dorf führt. Kurz vor dem Ziel beginnt es kurz und heftig zu regnen und
wir kommen recht durchnäßt an der Bushaltestelle an. Hier gibt
es eine im italienischen Bergdorf unerwartete moderne digitale Anzeigetafel
mit Hinweis auf die Ankunftszeit des Busses, wir sind beeindruckt. Während
der 10 Minuten Wartezeit beobachten wir fasziniert eine weibliche deutsche
Reisegruppe in der Bar gegenüber, die sich nacheinander mit einem sie
abküssenden zahnlosen greisen Inselbewohner ablichten läßt.
Auf der Rückfahrt im Bus schlafe ich ein, was Markus später
auf der Fähre wettmacht. Mittlerweile fegt ein heftiger Wind über
das Meer und läßt die Fähre schräg im Wasser gegen
die Wellen ankämpfen. Selbst die Bar hat geschlossen, es würde
sich wohl nichts im Glas halten können. Zurück in Pozzuoli ist
davon nichts zu merken, zum Glück, denn sonst wären unsere zum
Trocknen aufgehängten Handtücher über den Kraterrand hinausgeweht.
Nach diesem ausgiebigen Ausflug beschließen wir den letzten Abend
locker vor dem Zelt zu begehen und den unterwegs in der Salumeria gekauften
Käse mit Brot und Rotwein zu verzehren. In der Bar frage ich mutig
nach dem besten vorhandenen Rotwein und bekomme die Auswahl zwischen Flaschen,
die 3 Euro kosten und Flaschen für 4,50 Euro. Wein, Brot und Käse
schmecken vorzüglich und werden von Markus mit 2 aus der Bar ans Zelt
gebrachten Capucchini fürstlich abgerundet.
Dienstag, 11.04.2006
Heute müssen wir wirklich früh aufstehen, die Abreise steht
bevor. Wie immer dauert es lange bis wir uns organisiert und Zelt und umfangreiche
Ausrüstung in den Rucksäcken verstaut haben. Der letzte Marsch
in den Ort zum Bahnhof, unser Zug steht sogar schon bereit. Entspannt lehnen
wir uns zurück, bis wir 3 Bahnhöfe weiter nach beunruhigenden
italienischen Durchsagen und einem gesammelten Aufstöhnen der übrigen
Passagiere verwirrt den Zug verlassen müssen. Er scheint nicht weiter
zu fahren. Offenbar wartet der Ersatzzug 3 Gleise weiter. Da alle Passagiere
quer über die Gleise laufen scheint es eilig zu sein und nach angestrengtem
Absuchen des Horizonts nach einem herannahenden ICE stolpern auch wir hastig
mit vollem Gepäck über die Gleise. Der andere Zug ist brechend
voll und wir stehen 10 Minuten wie die Sardinen in der Hitze. Trotzdem finden
die üblichen Akkordeonspieler mit ihrem Standardrepertoire noch Platz.
Im Schnelldurchgang werden die Stücke angedudelt, dann den unbeteiligt
durch sie hindurch sehenden Passagieren die Mütze hingehalten.
Erleichtert bemerke ich, dass ich für die Fahrt aus Versehen eine
halbe Stunde zuviel Zeit eingeplant habe, die kommt uns nun gelegen. Endlich
setzt der Zug sich in Bewegung und wir erreichen tatsächlich Neapel.
Hier suchen wir nach der richtigen Bushaltestelle, leider wird nichts mehr
aus einer letzten Pizza.
Am Flughafen, der im Reiseführer als der effizienteste Italiens
angepriesen wird, herrscht lautstarkes Chaos, aber wir schaffen auch das
Einchecken und diesmal bin ich an der Reihe, mir die Schuhe auszuziehen.
Eine Italienerin redet wild auf mich ein, aber ich suche mit den Augen
nur mein restliches Handgepäck. Nachdem meine Wanderstiefel zusammen
mit ihr verschwunden sind, und ich auf Socken im Trubel sitze, tauchen
sie glücklicherweise wenige Minuten später gründlich durchleuchtet
wieder auf und wir begeben uns nach einem letzten Parmaschinkenciabatta
zum Gate. Das Flugzeug landet schon verspätet und seltsamerweise werden
die Passagiere 20 Minuten lang nicht hinausgelassen, bis sich endlich eine
fahrbare Treppe dorthin bewegt. Wie wir im Flugzeug erfahren wurde auch beim
Bodenpersonal gestreikt.
Der Flug verläuft ruhig und zurück in Köln-Bonn empfängt
uns eine vertraute nieseldurchtränkte Kühle.
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